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  • AutorenbildRafete Mamuti

Interpretation zu Kafkas-Werk "Auf der Galerie"

Das Sehnen nach Dankbarkeit

Die Sie-Erzählung «Auf der Galerie» von Franz Kafka spielt in einem Zirkus. Das Werk ist in zwei Teilen geschrieben. Der erste Teil gibt die Vorstellung eines Zuschauers wieder. Er stellt sich die Reiterin, die vom Direktor dirigiert wird, vor. Seine Fantasie zeigt ihm etwas Negatives vor Augen. Die Reiterin, die monatelang von ihrem Chef ohne Unterbrechung üben musste. Der Zuschauer möchte «Halt!» rufen, doch die Vorstellung löst sich auf. Der zweite Teil zeigt das Geschehnis. Es wird positiv dargestellt. Die Frau auf dem Pferd, begleitet vom Orchester, voller Eleganz und Glück. Sie meistert die Sprünge, steigt vom Tier, wird vom Publikum bejubelt und hält ihren Kopf hoch. Der Zuschauer legt seinen Kopf auf die Brust und weint.
Einen Jubel von einem Publikum gibt es nicht. Niemand jubelt dir zu, wenn du etwas erreichst. Niemand sagt dir, dass er stolz auf dich ist. Die Welt wird schlecht dargestellt. Ich interpretiere, dass im ersten Teil der Erzählung die Reiterin Kafka mit seiner Lungenkrankheit ist. Er wird von seinem Vater, dem Chef, herumkommandiert und ohne Pause schikaniert. Der Vater sagt ihm nicht, dass er stolz auf ihn sei. Kafka möchte «Halt!» rufen, um dem ein Ende zu setzen. Im zweiten Teil ist Kafka der Zuschauer und merkt, dass der Direktor das Glück der Reiterin miterlebt und sich zugleich freut, obwohl er sie mit scharfem Blick prüft und auf die Knechte wütend ist. Er vergleicht sein Leben mit dem eines anderen. Kafka weiss, er wird nie belobende Worte von seinem Vater kriegen, und fängt an zu weinen.
In dieser Quelle wird interpretiert, dass viele Menschen, sowohl Kafka unter der Lungenkrankheit ‘Tuberkulose’ im Jahre 1917 erkrankten.[1] Die Erzählung wurde zur Zeit des Ersten Weltkrieges geschrieben. Daher folgt die Interpretierung, dass die Dampfhämmer möglicherweise von einer Kriegsmaschinerie stammen. Der Publikumsbeifall kann die Haltung der Gesellschaft zum Kriegsverlauf darstellen. Es wird interpretiert, dass Kafka versucht hat, die Gesellschaft auf satirische Weise zu kritisieren. Im zweiten Teil wird zitiert, dass der Zirkus eine glanzvolle inszenierte Oberfläche ist und nicht wie im ersten Teil eine graue Welt. Der Zuschauer fängt still an zu weinen, weil ihm bewusstwird, dass die beiden Darstellungen voneinander unabhängig sind.
In einer zweiten Quelle steht, dass Kafka die Zirkuswelt mit unserer Gesellschaft verglichen hat.[2] Man kämpft nur noch für die eigenen Interessen und tut, als sähe man die Probleme der anderen nicht. Nach dem Ersten Weltkrieg, als die Parabel erschaffen wurde, gab es zu wenig Menschen, die anderen halfen.
Eine dritte Interpretation redet über die Psyche der Menschen.[3]Menschen verstellen sich häufig, um Verhaltenserwartungen zu erfüllen. Sie unterdrücken ihre Gefühle. Das Zirkuspublikum mit seinen Erwartungen steht für die Gesellschaft mit ihrer Moral und ihren Normen. Der Direktor entspreche den Eltern, die besonders hohe Erwartungen von der Reiterin, erwarten. In dieser Quelle wird auch die Beziehung von Kafka und seinem Vater interpretiert. Der Direktor ist der Vater, dessen Erwartungen Kafka mit sich trägt, denen er folgen muss. Die Reiterin ist Kafka, die den Befehlen folgen muss. Ich zitiere: «Der äußere Zwang, den der Direktor der Parabel auf die Kunstreiterin ausübt, ist eigentlich ein Zwang innerhalb des eigenen Ichs.»
Ich finde die Interpretation des Ersten Weltkriegs sinnvoll. Die Parabel wurde zur Zeit des Ersten Weltkriegs geschrieben. Der erste Teil ist nicht persönlich und eher emotionslos geschrieben, weswegen es zum Krieg passt. Im Krieg wurden Maschinen eingesetzt und Beziehungen zu Menschen zerstört oder nicht aufgebaut. Der Zirkusdirektor ist wie ein General oder Kommandant, der die Reiterin, einen Rekrut kommandiert. Wenn man diese Interpretation mit meiner vergleicht, sieht man einen kleinen Zusammenhang. Und zwar, dass der Vater bzw. der General Kafka oder den Rekruten schikaniert. Es gibt keine Beziehung zwischen den beiden Charakteren.
Die wichtige Aussage ist, dass der Zuschauer weint. Nach seiner grausamen Vorstellung und der schönen Realität weint er leise mit seinem Kopf in seiner Brust gekrümmt. Die Aussage zeigt, dass es einen tieferliegenden Sinn hat und etwas Irreales nicht mit etwas Beschönigendem vergleichen kann. Die Erzählung hört mit dem Weinen auf. Der Leser ist irritiert, am Anfang wird der Text negativ dargestellt, «Da es aber nicht so ist:» und so wird er erleichtert und kann den optimistischen Teil lesen und dann wird es unglücklich und abgeschnitten. Der Leser bleibt mit der Frage «Warum weint er?» zurück. Somit kann er interpretieren und nachdenken, sich fragen, was der Sinn hinter den Tränen ist. Meine Hypothese auf diese Frage ist, dass der weinende Galeriebesucher von Kafka dargestellt wird und die Situation mit seinem Vater widerspiegelt. So weint er als Zuschauer, weil er sich selbst in diese Kunstreiterin sieht und in dem Chef seinen Vater, der ihn nie liebte.

Auf der Galerie – Franz Kafka

Wenn irgendeine hinfällige, lungensüchtige Kunstreiterin in der Manege auf schwankendem Pferd vor einem unermüdlichen Publikum vom peitschenschwingenden erbarmungslosen Chef monatelang ohne Unterbrechung im Kreise rundum getrieben würde, auf dem Pferde schwirrend, Küsse werfend, in der Taille sich wiegend, und wenn dieses Spiel unter dem nichtaussetzenden Brausen des Orchesters und der Ventilatoren in die immerfort weiter sich öffnende graue Zukunft sich fortsetzte, begleitet vom vergehenden und neu anschwellenden Beifallsklatschen der Hände, die eigentlich Dampfhämmer sind – vielleicht eilte dann ein junger Galeriebesucher die lange Treppe durch alle Ränge hinab, stürzte in die Manege, rief das – Halt! durch die Fanfaren des immer sich anpassenden Orchesters.
Da es aber nicht so ist; eine schöne Dame, weiß und rot, hereinfliegt, zwischen den Vorhängen, welche die stolzen Livrierten vor ihr öffnen; der Direktor, hingebungsvoll ihre Augen suchend, in Tierhaltung ihr entgegenatmet; vorsorglich sie auf den Apfelschimmel hebt, als wäre sie seine über alles geliebte Enkelin, die sich auf gefährliche Fahrt begibt; sich nicht entschließen kann, das Peitschenzeichen zu geben; schließlich in Selbstüberwindung es knallend gibt; neben dem Pferde mit offenem Munde einherläuft; die Sprünge der Reiterin scharfen Blickes verfolgt; ihre Kunstfertigkeit kaum begreifen kann; mit englischen Ausrufen zu warnen versucht; die reifenhaltenden Reitknechte wütend zu peinlichster Achtsamkeit ermahnt; vor dem großen Salto mortale das Orchester mit aufgehobenen Händen beschwört, es möge schweigen; schließlich die Kleine vom zitternden Pferde hebt, auf beide Backen küßt und keine Huldigung des Publikums für genügend erachtet; während sie selbst, von ihm gestützt, hoch auf den Fußspitzen, vom Staub umweht, mit ausgebreiteten Armen, zurückgelehntem Köpfchen ihr Glück mit dem ganzen Zirkus teilen will – da dies so ist, legt der Galeriebesucher das Gesicht auf die Brüstung und, im Schlußmarsch wie in einem schweren Traum versinkend, weint er, ohne es zu wissen.
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